Übersetzung von Mechthild Gallwas und Katy Schlegel
Il convitato di pietra
Von Don Giovanni (oder Convitato di pietra) ist eine italienische Version überliefert[1], die von Giacinto Andrea Cicognini im März 1633 in Florenz und im Anschluss in Pisa aufgeführt wurde; es ist wahrscheinlich, dass dieser Text, von dem später zahlreiche Druckfassungen existieren[2], dem florentinischen Schriftsteller durch Vermittlung seines Vaters Iacopo in die Hände fiel, der bekanntlich mit Lope de Vega in Briefkontakt stand. Obgleich überliefert ist, dass spanische Comici bereits im Oktober 1625 Il Convitato di pietra im Saal von San Bartolomeo in Neapel aufführten, ist die Bedeutung der florentinischen Überlieferung nicht von der Hand zu weisen.[3] Sie ist auf der rein textlichen Ebene weniger von Bedeutung als auf der spielerischen, zum einen, da der Träger dieser Tradition vor allem empirisch ist, zum anderen, weil sie eine Art Vulgata darstellte, eine populäre Bearbeitung, die letztlich dazu bestimmt war, im Gebrauch und in der Praxis der Berufsschauspieler verändert zu werden. Ein weiterer unveröffentlichter Canovaccio, Il convitato di pietra opera cavata dal vero, welcher sich zwischen den Florentinischen Blättern befunden hatte und erst jüngst von Annamaria Testaverde entdeckt wurde[4], bestätigt die Nähe, wenn nicht gar die Kontinuitätsbeziehung zwischen den beiden florentinischen Texten und der Version von Molière: Es genügt, an die mehrfach wiederholten Schlussworte von Sganarelle zu denken (»Ah! mes gages! mes gages! […] Mes gages! mes gages! mes gages! / Ach, mein Lohn! Mein Lohn! […] Mein Lohn! Mein Lohn! Mein Lohn! «), die sich – außer bei Molière – nur in jenen beiden toskanischen Fassungen finden, um dann – nicht zufällig – in der Arlecchino Dominique zukommenden Wiederbearbeitung aufzutauchen.[5]
Testaverde hat die Aufführung des unveröffentlichten Canovaccio auf die ersten Tage des Jahres 1657 (exakt auf den 8. Januar) datiert:
»ne la via del Cocomero, ne la stanza dellAccademia dei Sorgenti. Recitarono i commedianti e rappresentarono Il convitato di pietra. Fu arricchita con belle musiche, intermedi, machine e con balletti. Vi fu il Granduca, la Serenissima e tutti i principi e si fece invito di Dame
in der Via del Cocomero, im Saal der Accademia dei Sorgenti. Es spielten die Comödianten und sie führten Il convitato di pietra auf. Es war eingerichtet mit schöner Musik, Intermedien, Maschinen und Balletten. Es waren da der Großherzog, Ihre Hoheit, und alle Fürsten und man lud Damen ein«.[6]
Nach Testaverde wurde diese Aufführung wahrscheinlich umgesetzt von Marco Napolioni, der vielleicht der Übersetzer aus dem Spanischen war und überdies der Interpret der Partie des Don Giovanni, sowie von Giovan Battista Fiorillo, dem Bruder von Scaramouche in der Partie des Cola.[7] Es muss daran erinnert werden, dass der erste Druck des Textes von Cicognini (ohne Angabe des Verlegers und des Erscheinungsjahres) wahrscheinlich der venezianische Druck ist – mit der Widmung von Francesco Lupardi, und zu datieren zwischen 1663 und 1666: Auch dieser ist demnach älter als die Version von Molière.[8] Was das französische Debüt betrifft, dürfte Le Festin de Pierre der Comédiens Italiens, dem Notar Thomas-Simon Gueullette zufolge, dem späteren Herausgeber der Canovacci von Biancolelli, »avoir esté joué par la trouppe de Locatelli, en lAnnée 1658, après le Rozaure et il y eut un succès prodigieux [von der Truppe von Locatelli im Jahr 1658 nach der Rosaura gespielt worden sein, und es hatte erstaunlichen Erfolg] «.[9] In seinen Pariser Vers-Chroniken spricht Jean Loret (23. März 1658) von der Aufführung Rosaura imperatrice di Costantinopoli und schreibt die Übersetzung Domenico Locatelli und die szenische Ausstattung Giacomo Torelli zu.[10] In seiner Chronik ist die Lobrede auf die Maschinen von Torelli, auf die Schauspieler und besonders auf die Szene zu lesen, in der sich Scaramouche vor einer mit jederlei Speisen gefüllten Tafel befindet, es ihm aber aufgrund der Missgeschicke, die um ihn herum passieren, nicht gelingt zu essen:
»Entre quantité daccidents / Qui font rire, malgré les dents, / Et qui raviroient une souche, / Cest la Table de Scaramouche, / Contenant fruit, viande et pain / Et, pourtant, il y meurt de faim / Par des disgrâces qui surviennent / Et qui de manger le retiennent
Aufgrund etlicher Zufälle / Die so zum Lachen sind, dass man Zahnschmerzen bekommt, / Und einen Holzklotz erschüttern könnten, / Ist die Tafel von Scaramouche / Gefüllt mit Früchten, Fleisch und Brot / Er stirbt jedoch vor Hunger / Durch die Unglücke, die passieren / Und ihn vom Essen abbringen«.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Chronist hier einer Verwechslung erliegt zwischen der Rosaura und der Szene, in der der Diener von Don Giovanni im Convitato di pietra das Festessen verzehrt. Auf jeden Fall waren die von Scaramouche auf der Bühne dargebotenen Esser-Qualitäten seit seinen Anfängen bekannt, wie sein Biograph, der Schauspieler Angelo Costantini, erinnert:
»Chiedendogli ancora in quale commedia voleva recitare, scelse il Festino di pietra, chegli preferiva a tutte per via del banchetto che vi si recita. […] Scaramuccia riuscì perfettamente in tutta la recita, e inoltre fece con tanto scrupolo il suo dovere al banchetto, che rischiò di crepare in mezzo agli applausi. Il pubblico fu così incantato da quella rappresentazione, che domandò con urgenza una replica. Scaramuccia vi acconsentì volentierissimo; e stavolta in luogo delle ova sode di cui si era riempito la sera precedente, si mangiò un grosso tacchino, due pernici e un pasticcio di piccione.
Fragte man ihn also, in welcher Comödie er spielen wollte, wählte er den Festino di pietra, den er wegen des Festmahls, das man dort aufführte, unter allen vorzog. […] Scaramuccia stach in der gesamten Aufführung hervor und erfüllte darüber hinaus seine Pflicht beim Bankett sehr gewissenhaft, sodass dieses drohte, inmitten des Applauses unterzugehen. Das Publikum war so bezaubert von dieser Vorführung, dass es mit Nachdruck nach einer Wiederholung verlangte. Scaramuccia willigte nur zu gerne ein; und diesmal aß er anstelle der gekochten Eier, mit denen er sich den Abend zuvor gefüllt hatte, einen riesigen Puter, zwei Rebhühner und eine Täubchenpastete«.[11]
Eben so wenig kann man ausschließen, dass Fiorilli das Kleid des Dieners von Don Giovanni trug, obgleich es in diesem Fall auch vorstellbar ist, dass der Schauspieler nur eine einzige Szene (einen Lazzo) als >komisches Finale< am Ende der Rosaura gespielt hat: wahrscheinlich die des finalen Festessens bei der bevorstehenden Ankunft des Komturs. Molière ließ sich im Oktober desselben Jahres 1658 mit seiner Truppe des »Illustre Théâtre« in Paris nieder und teilte fortan mit den berühmten Italienern den Saal des Petit Bourbon. Tiberio Fiorilli und seine Frau werden im Sommer des Jahres 1659 kurz vor der Zerstörung dieses Theaters Paris verlassen haben.[12] Es ist demnach wahrscheinlich, dass der französische Schauspieler-Autor einige Aufführungen des italienischen Schauspielers gesehen und geschätzt hat, unter denen außer dem Convitato di pietra auch Il Medico volante und der Basilisco di Bernagasso gewesen sein könnten. Dieses Neben- und Miteinander spielte sicher eine entscheidende Rolle für den Einfluss des italienischen Theaters auf Molière.
Dennoch bleibt die Spur, die Scaramouche auf dieser Figur hinterlassen hat, unseren Augen verborgen. Tatsache ist, dass – wie Molière (oder einer seiner Zeitgenossen) schreibt – Scaramouche nicht sprach, und noch weniger schrieb, und daher seine Hinterlassenschaft den Verehrern des literarischen Denkmals verschwiegen bleibt. Auch wenn diese Stille teilweise von seinem jüngeren Gefährten und Komplizen Dominique Biancolelli ausgefüllt wurde – dank der Vermittlung des Notars Thomas-Simon Gueullette, der zusammen mit anderen Manuskripten auch den Canovaccio des Convitato di pietra transkribierte, ins Französische übersetzte und »edierte« –, dürfen wir keineswegs davon ausgehen, in der Transkriptions-Übersetzung dieses Canovaccio aus dem 18. Jahrhundert eine getreue Kopie des ersten Convitato di pietra von Biancolelli vorzufinden.[13] Um den Eifer von Biancolelli zu verstehen, mit dem er sich in das französische Modell fügte, wäre die Lektüre des verloren gegangenen Canovaccio hilfreich, den er höchstwahrscheinlich am 14. Januar 1660 am Wiener Hof spielte. Dieser Hinweis erlaubt es, die Beschäftigung des Schauspielers mit dem Mythos des Convitato di pietra um einige Jahre vorzuverlegen: fünf Jahre vor Molière und acht Jahre vor der Überarbeitung, die uns durch das Manuskript von Gueullette überliefert ist. Die Aufführung des Convitato di pietra durch eine nicht ermittelte italienische Truppe, in der aber mit Sicherheit Arlecchino erscheint, ist in einem Brief von Bartolomeo Franceschini an die Fürstin Maria von Mantua vom 17. Januar 1660 belegt:
»il mercordì 14 gennaio che fu, il Convitato di pietra molto bella comedia […], il Arlequino secondo Zane a Sua maestà li dà tanto gusto che non si polle dire di più, ma li padri Jesuiti sono tanto contrari alli comedianti che non si polle dire di più abenché non fano né atto né parola disoneste alcuna«
am Mittwoch, dem 14. Januar, gab es die sehr schöne Comedia Il Convitato di pietra […], der Arlequino, zweiter Zanni, gefiel Seiner Majestät außerordentlich, aber die Jesuiten sind absolut gegen die Comödianten, obgleich sie weder unehrenhafte Handlungen noch Wörter anführen.[14]
Der einzige in dieser Zeit bezeugte Arlecchino war der vierundzwanzigjährige Dominique Biancolelli; zu seiner Truppe gehörte unter anderen auch Isabella Franchini (Colombina), die Mutter von Dominique. Gestützt ist diese Datierung durch einen Hinweis, der sich in La Vie de Scaramouche von Angelo Costantini findet, der für dasselbe Jahr die Einladung der italienischen Comici durch die Habsburger erwähnt:
»Mentre si faceva ammirare a Milano, fu richiesto con la sua compagnia di andare a Vienna, a recitare alla Corte dellImperatore. Daltro lato il cardinale Mazzarino pregò il principe Alessandro Farnese di far passare Scaramuccia in Francia. Scaramuccia che aveva appreso la fama di grandezza e generosità di Luigi XIV, non esitò un momento a rifiutare lofferta dellImperatore e, col gradimento del Principe di Parma, decise di passare in Francia, dove si recò verso il 1660
Während er sich in Mailand bewundern ließ, wurde er mit seiner Truppe nach Wien berufen, um am Hof des Kaisers zu spielen. Andererseits bat Kardinal Mazarin den Fürsten Alessandro Farnese, Scaramuccia nach Frankreich gehen zu lassen. Scaramuccia, der von der viel gerühmten Größe und Großzügigkeit Ludwigs XIV. gehört hatte, zögerte nicht einen Moment, das Angebot des Kaisers abzulehnen und, zum Wohlgefallen des Fürsten von Parma, entschied er, nach Frankreich zu gehen, wohin er sich 1660 begab«[15]
Auch Biancolelli und seine Mutter seien mit ihren Kollegen ein Jahr darauf in Paris angekommen, wo sie gemeinsam mit Scaramouche im Zuge der Festlichkeiten anlässlich der Hochzeit von Ludwig XIV. von einer Periode geglückter Aufführungen profitiert hätten.[16]
Demnach hätte der Arlecchino Biancolelli «eine seiner» Versionen des Convitato di pietra gespielt, bevor er die von Molière gesehen hatte; ließ aber schnell nach der – im Übrigen recht kurzlebigen – Ära des Dom Juan eine neue Version erscheinen; der Misserfolg, der dem Dom Juan durch die Zensur und die Intrigen gegen Molière zuteil wurde, könnte den italienischen Schauspieler Biancolelli zu einer entsprechenden Selbstzensur bewogen haben. Das bekräftigt den Umstand, dass die Anpassung der Italiener an die Franzosen – ein Vorgehen, das gerade von denjenigen eifrig praktiziert wurde, die mehr oder weniger vergeblich um Anerkennung als Staatsbürger in vollem Sinne, und nicht mehr nur als Fremde bemüht waren – nicht unwesentlich dazu beiträgt, einige historische Wahrheiten des Teatro dellArte dieser Jahre zu verdunkeln oder zumindest durcheinander zu bringen.
Unter Berücksichtigung der «Entstellungen» der Zeit und der späteren Tradition zeigen sich im Vergleich der drei Texte – der von Gueullette vorgelegten Transkription des Canovaccio Biancolellis, dem Text von Cicognini und dem von Molière – zwischen den ersten beiden starke Übereinstimmungen und einige auffällige Diskrepanzen zwischen dem ersten und dem dritten, was die oben erwähnte Diachronie bestätigt. Bezogen auf die hier vorgenommene Gegenüberstellung muss jedoch unbedingt darauf hingewiesen werden, dass der Text von Biancolelli sich im Wesentlichen darauf beschränkt, die Aktionen und einige Späße wiederzugeben, in denen Arlecchino auftaucht: Streng genommen handelt es sich eher um einen »Generico«[17] des Protagonisten als um einen wirklichen »Canovaccio« mit vollständigen Hinweisen, die alle Figuren und Aktionen betreffen.
Auch hier endet die Szene mit der Kapitulation des Dieners und dem Tausch der Kleider.[23] Und auch die Szenen am Ende der Handlung, die um den gedeckten Tisch spielen und zwischen Erinnerungen an amouröse Abenteuer und Lust auf Speisen alternieren, scheinen Cicogninis Text mehr an Biancolellis als an Molières Text zu rücken, bei dem die Lazzi, die die Mahlzeit von Sganarello ausschmücken (IV/7), keinen Raum zum Abschweifen auf erotische Abenteuer des Padrone lassen, was dagegen dank Passarino und Arlecchino in den beiden »italienischen« Fassungen der Fall ist. Der erste erinnert den Padrone zunächst an »Napoli, quella bella zovenotta [Neapel, jenes schöne, junge Mädchen]« und dann an »Quella pescatrice, che cedè quellabit quand a cascasim in tal mar, ve piasevela mò [Jene Fischerin, die ihr Kleid ablegte, als wir in dieses Meer fielen, sie gefiel Euch sehr]« (III/5). Arlecchino entwickelt über dieses Thema Essen und Erotik eine lange (improvisierte?) Variante, die Molière nicht erwähnt:
Während des Essens fragt er mich nach Neuigkeiten von Signora Lizetta und ich erzähle ihm, dass ich bei ihr war und dass sie nicht da war, er wirft mir vor, dass ich lüge, »Wenn das nicht so ist, – antworte ich ihm – soll ich an diesem Bissen ersticken!« (ich nehme ein Stück Fleisch von der Tafel) »Und ihre Gefährtin?« »Sie war auch ausgegangen« »Das stimmt nicht« »Wenn ich lüge – sage ich ihm – soll mich dieser andere Bissen vergiften!«, also sagt er zu mir« Schwöre nicht mehr, ich will dir lieber glauben« […] Als ich an der Tafel sitze und esse, antworte ich Dom Jouan nur noch einsilbig: »Wie groß ist sie?« »Klein« »Wo wohnt sie« »In der Nähe« »Wie heißt sie?« »Anna« »Hat sie Vater und Mutter?« »Ja« »Wo habe ich sie das erste Mal gesehen?« »Auf dem Ball« »Wie alt ist sie?«, ich zeige zweimal meine beiden Hände um klar zu machen, dass sie 20 Jahre alt ist.«[24]
Der von Arlecchino Biancolelli vorgestellte Schluss steht der Überlieferung Cicogninis näher als dem Text Molières. So hat bspw. die Anspielung auf die schwarze Ausstattung (»Je dis quil faut que la blanchiseuse de cette maison soit morte, car tout est icy bien noir« / »Ich sage, dass die Waschfrau dieses Hauses tot sein muss, denn alles ist hier sehr schwarz«) ihr Pendant in der »schwarzen Tafel« des italienischen Textes[25]; aber auch das schlangenartige Gericht, das bei Cicognini dargereicht wird (»Don Giovanni Ma che cibi sono questi? Magnerò se fossero serpenti« / »Don Giovanni Was ist das denn für eine Speise? Ich werde sie essen, selbst wenn es sich um Schlangen handelt«), wandelt sich von der Metapher zum realen Mahl im Canovaccio: »[Don Giovanni] prend un serpent dans un plat en disant: ˃Jen mangeray, fusse le diable! (il mord à mesme) Et je veux te charger de ses cornes˂ [(Don Giovanni) nimmt eine Schlange vom Teller und sagt: ˃Ich werde davon essen, und sei es der Teufel! (er knabbert daran) Und ich will, dass Du seine Hörner übernimmst˂]«.[26]
In anderen Fällen scheint mir die vermutete Ableitung Biancolellis von Molière erzwungen. Es ist zum Beispiel schwierig, bei der Szene des Kleidertauschs zwischen Don Giovanni und Don Ottavio die Vorreiterrolle eines Autors gegenüber dem anderen zu bestimmen. Der Kleidertausch, bezeugt für die Tradition, die auf Tirso de Molina zurückgeht (II/12), und wieder aufgenommen von Cicognini (II/1), wird bei Molière dahingehend abgeändert, dass er den Tausch zwischen dem Padrone und dem Diener Sganarelle stattfinden lässt (II/5)[27]; Biancolleli hingegen schlägt eine Verdopplung des Tauschs innerhalb der Stände vor: Dem zwischen Don Giovanni und Don Ottavio fügt er den zwischen Pantalone und Arlequin hinzu: »Dom Jouan propose au Duc de changer avec luy de manteau pour aller en bonne fortune, il laccepte, je fais la même chose avec Pantalon [Dom Jouan schlägt dem Herzog vor, mit ihm den Mantel zu tauschen, um Glück zu haben, der akzeptiert, ich mache dieselbe Sache mit Pantalon]«.[28] Ähnliches lässt sich über den Lazzo der Ohrfeige sagen, die der Herr dem Diener sofort danach verabreicht.[29] Man beachte aber auch die Szene auf dem Friedhof vor der Statue des Komturs, bei der Cicognini, Biancolelli und Molière demselben Muster folgen, mit einer kleinen Abweichung im ersten Text, in dem die Einladung zum Abendessen zweimal an die Statue gerichtet wird.[30]
Beispielhaft bleibt der Fall der Schlussworte, die Molière in den Kleidern des Dieners Sganarelle mit dem fünfmal wiederholten Ausruf von der verlorenen Bezahlung ausspricht (»Ah! Mes gages! Mes gages! […] Mes gages! Mes gages! Mes gages! / Ach! mein Lohn! mein Lohn! […] Mein Lohn! mein Lohn! mein Lohn!«): Sie fehlen in allen anderen Versionen des Dramas, sind jedoch bei Cicognini und Biancolelli, aber auch im Canovaccio der florentinischen Handschrift von 1657, von dem noch zu sprechen sein wird, hartnäckig vorhanden. Diese Zeugnisse lassen die Waage der Tradition zusätzlich auf der »italienischen« Seite ausschlagen.
Gerade das direkte und indirekte Sichtbarwerden der Spuren einer Handschriften-Tradition lehrt uns, jenen nicht nur imposanten, sondern auch übermalten convitati di pietra zu misstrauen, die in Druckausgaben zu uns gelangt sind. Unser Ziel ist es nicht, die Verdienste unbestritten großer »Schriftsteller« in Misskredit zu bringen, die, wie Molière, es verstanden haben, Vorbilder ihrer Inspirationsquellen zu werden, indem sie etwas vorantrieben, was wir als Selbstzensur der »Kleinen« bezeichnen könnten: Der Historiker versucht heute hinter die von den Einbalsamierern der Verhältnisse gewollte literarische Neuordnung zurückzugehen, um nicht nur ein klareres Verständnis der materiellen Theatergeschichte zu fordern, sondern auch eines der »Dramaturgie in Aktion«, welche die der Comici, unwichtig ob italienische oder französische, jenes großen Jahrhunderts war. Natürlich sind wir – wie fast immer für die Theatergeschichte, ob der vormodernen oder der modernen – nicht im Stande, der Teilkritik der jüngeren Quellen eine organische Rekonstruktion der Primärquellen folgen zu lassen, da diese quasi vollständig schweigen, so wie das Spiel von Scaramouche oder wie der Wiener Convitato di pietra von Biancolelli. Es reicht, hier die Bedeutung einer Recherche der Quellen zu bekräftigen, die vor allem darauf bedacht ist, einen dramaturgischen europäischen Raum anzuerkennen, der vor der Nationalbewegung der großen Theaterliteraturen existierte und der mit einer Vielzahl von Traditionen verknüpft ist, welche sich nach den Regeln der Nationalkulturen a posteriori kaum voneinander trennen lassen. Eine solche Reise à rebours legt nicht auf apodiktische Weise gewisse Genealogien, Zugehörigkeiten oder Abstammungen fest. Sie ruft eine Komplexität und eine Kontamination wach, in der die Bastarde und die Betrüger führen.
Tartuffe und Il Dragone di Moscovia o il Basilisco di Bernagasso
Einen anderen Fall von italienischer Einmischung (oder Nachahmung) im Werk Molières bietet sich mit dem Tartuffe. Der Text ist uns durch den vom Autor autorisierten Druck vom 23. März 1669 überliefert (mit Privileg vom 15. März), der der Wiederaufnahme auf der Bühne am 5. Februar des gleichen Jahres folgte. Es scheint als hätten sich die Gegner der Comödie bei diesem Anlass in Schweigen gehüllt und sogar die Ablehnung aufgehoben, mit der sie dem Stück schon vor seiner ersten Aufführung am 12. Mai 1664[31] begegnet sind und die in der Zensur der revidierten Version (Limposteur, dt. Der Betrüger) anlässlich der Wiederaufnahme vom 5. August 1667 kulminierte. Die erste Fassung des Werkes ist verloren gegangen. Man weiß jedoch, dass sie aus nur drei Akten bestand, wie das Registre von La Grange belegt.[32] An diesem Punkt geht es uns weniger darum, Vermutungen über die textlichen Veränderungen anzustellen, die im Verlauf dieser fünf entscheidenden Jahre vorgenommen worden sein könnten (im Übrigen die gleiche Zeit, in der sich auch die mühselige Geschichte des Don Giovanni abspielt), als vielmehr darum, sich mit der Dynamik ihrer ersten Bühnenkomposition auseinanderzusetzen. Besonderes Interesse weckt in diesem Zusammenhang die Feststellung, dass – nach Aussage Molières selbst – nur acht Tage nach Erscheinen der ersten Ausgabe des Tartuffe (1664) eine Aufführung von Tiberio Fiorilli mit dem Titel Scaramouche ermite stattgefunden haben soll.[33] Von dieser Vorstellung, die ein Canovaccio gewesen sein muss, ist uns außer dem Titel ein beiläufiger und später Nachweis in einer Anmerkung von Voltaire überliefert:
»Très froide si elle neût été licensieuse, dans la quelle un ermite vêtu en moine monte la nuit par une échelle à la fenêtre dune femme mariée,et y reparaît de temps en temps en disant: Questo è per mortificar la carne.
Sehr dröge, wenn sie nicht so freizügig gewesen wäre, in der ein als Mönch verkleideter Eremit mithilfe einer Leiter zum Fenster einer verheirateten Frau emporsteigt, von Zeit zu Zeit vortritt und sagt: Das mache ich, um das Fleisch zu züchtigen.«[34]
Die Tradition, besonders die französische, ist der Auffassung, dass die Italiener eher bereit gewesen waren, die Texte anderer zu imitieren und zu parodieren als neue zu produzieren. Auch die Spanier behaupteten, auch sie mitunter berechtigt, dass die Italiener einfach ihre Texte aus dem 17. Jahrhundert popularisierten. Trotzdem ist es unverständlich, warum Molière und mit ihm andere Größen des allgemeinen Pantheons nicht endlich vor dasselbe Gericht gestellt werden können, und das Werturteil ihrer Werke unangetastet bleibt, auch wenn diese ebenfalls im Pausverfahren der Tradition produziert worden sind. Die Berechtigung, den Canovaccio von Scaramouche zeitlich vor das Opus von Molière zu datieren, kam im Grunde einzig von Molière selbst. Die Geschichte des Festin de pierre und allgemein die der Dramaturgie von Autoren wie Cicognini, haben in der Tat gezeigt, wie lang die szenische Bearbeitung vieler Texte ist, die dem Repertoire der so genannten Commedia dellarte zugeschrieben werden können: im lebendigen Kontext der Bühne und auf Flugblättern kontinuierlich überarbeitet und »aufgefrischt«, bevor sie in Druck gingen und über Bücher verbreitet wurden.[35] Das Auftauchen jenes Hinweises auf die Aufführung des Canovaccio von Scaramouche »als Eremit« bedeutet nicht zwingend, dass es sich tatsächlich um die allererste Aufführung handelte. Es könnte sich ohne Weiteres um die Wiederaufnahme eines bereits bewährten Stoffes handeln.
»Bewährt« nicht nur in der szenischen Praxis, sondern auch in der täglichen Berichterstattung. In diesem Zusammenhang ist tatsächlich darauf aufmerksam zu machen, dass die Quellen der Theaterliteratur – in Anlehnung an eine alte literarische Gewohnheit – allzu oft in der Theaterliteratur selbst gesucht werden, und dabei vergessen wird, dass die Theaterbühnen der täglichen Berichterstattung viel näher standen als der Literatur.[36] Und tatsächlich führen uns die Nachrichten, die sich in den Mitteilungen der damaligen Berichterstatter niedergeschrieben finden, vor Augen, welche die Einflüsse waren, denen Biancolelli und Molière auf eine unterschiedliche Art und Weise ihre Aufmerksamkeit schenkten. In einigen Berichten wird die Geschichte von dem einen oder anderen »Eremiten« erzählt, das heißt genau von jener Spezies, die im Titel des Canovaccio von Scaramouche erscheint. Es handelt sich um Gestalten, die seinerzeit recht häufig in Aufzeichnungen auftauchen und weniger religiöse Gestalten als Außenseiter waren, Relikte einer zwischen Bettlertum und religiöser Berufung schwebenden Sozialgeschichte. In einer Aufzeichnung vom 9. Januar 1667 ist zu lesen:
Einer dieser Eremiten-Vagabunden / die sich so gut verstellen können / und als Schelme umhergehen / ist in den vergangenen Tagen / in einem Dorf nahe dieser Stadt eingetroffen / wo man das Patronatsfest feierte/ und bekannt war, dass beim Pfarrer / alles bestens vorbereitet war / um nach der Zeremonie / gute Gesellschaft zu leisten / Er bat freundlich und höflich / seinen Teil von der Festgabe nehmen zu dürfen / und auf die eine oder andere Weise davon zu profitieren/ mittels einer recht neuen List.«
Er hatte weder Tatzen noch Hörner/ Noch einen Schwanz / Noch jenes grauenvolle Äußere, / Das den Dämonen in der Malerei gegeben wird; / Er war von großem Wuchs, / Er hatte heitere und schöne Augen, / Er schien sogar bürgerlich / in bester französischer Manier gekleidet / nach der aktuellen Mode«.[40]
Es ist demnach sehr wahrscheinlich, dass die zeitgenössische Berichterstattung Biancolelli, Scaramouche und Molière viele Anregungen lieferte, mit denen die drei jedoch ganz unterschiedlich umgegangen sind. Die tatsächliche Verschmelzung von Einflüssen in diesem Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts zu entschlüsseln, ist besonders schwierig. Allerdings hebt sich das Problem nicht vom großen Teil der Theatergeschichte ab, die der Epoche der interlinguistischen und interkulturellen Verflechtung angehört und somit noch vor der Nationalbewegung liegt. Deren Ausmaß tritt im Frankreich der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nicht zuletzt deshalb besonders deutlich zutage, weil sich die Sinnbilder der tragischen wie der komischen linguistischen Versteinerung parallel durchgesetzt haben (an der Seite von Corneille und Racine ist auch Molière zu den »Steinernen« zu zählen, der in gebührendem Maße veröffentlicht und abgeändert wurde, und so eine Metamorphose vom Schauspieler zum Autor erlebte). Der von Delia Gambelli[41] erstellten, ausgiebigen und aussagekräftigen Rekonstruktion dieser Tage zufolge hat Domenico Biancolelli wahrscheinlich im Zuge der Zensur des Tartuffe (1667) damit begonnen, in der Sammlung der von ihm aufgeführten Canovacci (darunter auch Il Dragone di Moscovia o il Basilisco di Bernagasso) Ordnung zu schaffen. Enthalten habe die handschriftliche Sammlung die Les Italiens zuzuerkennenden Arbeiten von 1662 (dem Jahr, in dem sie erneut in Paris sesshaft wurden) bis zum damaligen Zeitpunkt. Den Ausschlag für die abschließende Sammlung der Canovacci mögen sowohl das Trauma der Verdammung Molières als auch das Bedürfnis gegeben haben, die eigene persönliche Leistung auf Papier zu bannen und damit die Eigenständigkeit der schöpferischen Arbeit gegenüber dem illustren Mitstreiter auf der Pariser Bühne quasi zu verteidigen. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die dokumentierten Aufführungen älteren Ursprungs sind als das Datum ihrer Aufzeichnung verlauten lässt. Das gleiche ließe sich, trotz der umfangreichen Beweisführung zugunsten einer früheren molièreschen Aufführung, in Bezug auf den italienischen Canovaccio von Biancolelli sagen. Ein Indiz dafür, dass die »leichte« Dramaturgie Biancolellis der »schweren« Molières vorausging, haben wir schon im Zusammenhang mit dem Dom Juan erbracht. Tatsächlich wird noch zu zeigen sein, dass auch das Thema des Basilisken sehr viel älter ist. Der französische Autor könnte es aus einer italienischen Tradition abgleitet haben, die ihm geläufig war. Es ist reichlich unwahrscheinlich, dass er auf frühere Canovacci keinerlei Bezug genommen haben sollte. Auf jeden Fall ist der Hergang des Dragone di Moscovia o il Basilisco di Bernagasso, den wir heute in moderner Ausgabe lesen können, zwischen dem Wenigen, was wir über seinen möglichen Vorläufer sagen können (Scaramouche ermite), und seinem Nachfolger (Tartuffe) anzusiedeln. Der reiche, betrogene Hausherr Arlecchino wird von Biancolelli gespielt, während der Betrüger Scaramouche, ein falscher Eremit, den man sich unschwer in ein dunkles Gewand – Zeichen von Bosheit und finsterer militärischer Strenge – gekleidet vorstellen kann, offensichtlich von Tiberio Fiorilli vorgestellt wird. In beiden Fällen hatte der Autor den Part des hintergangenen Hausherren (Orgon/Molière und Arlecchino/Biancolelli) übernommen. Der Titel des Werkes verweist auf seine Art auf die mythischen und romanischen Ursprünge der Figur (der Basilisk, der auch ein Drachen ist), selbst wenn sie in eine ferne europäische Gegend verlegt sind (Moskau): Gleichwohl sei daran erinnert, dass der Basilisk von Thomas Kyd germanische Ursprünge hatte. Die These, dass der Molière-Text möglicherweise von dem Biancolellis abstammt, stützt Claude Bourqui in dem exzellenten Band, den er den »Sources de Molière« gewidmet hat. Er hat seine Überlegungen folgendermaßen formuliert:
»Il faut bien sûr prendre en compte léventualité que le Basalisco soit simplement tiré de Tartuffe et ne constitue quune version grossièrement déformée de la pièce de Molière. […] Mais lhypothèse inverse peut également être retenue: pour Molière, à la recherche de péripéties complémentaires à son noyau de base de Tartuffe, lenjeu de lhéritage et de la dépossession des biens pouvait naturellement se présenter en complément de lépisode du fils »deserité˂. Les vers 293-294 de la pièce de Molière (»Je lui faisais des dons; mais avec modestie / Il me voulait toujours en rendre une partie˂) pourraient être dès lors un clin dœil à un épisode bien connu dun classique de la commedia dellarte présent sur la scène du Théâtre Italien de la même époque.
Man sollte wohl die Möglichkeit einbeziehen, dass der Basilisk ganz einfach aus dem Tartuffe abgeleitet wurde und nur eine in groben Zügen veränderte Version des Stücks von Molière ist. […] Allerdings kann die umgekehrte Hypothese ebenso geltend gemacht werden: Molière kam dabei entgegen, dass sich der Einsatz des Erbes und des Vermögensverlusts bei der Suche nach weiteren Schicksalswendungen für seine Grundstruktur des Tartuffe als Ergänzung zur Episode des »verlorenen˂ Sohns erweisen konnte. Die Verse 293-294 des Stücks von Molière (»Ich beschenkte ihn; aber mit Maß / Er wollte mir davon immer einen Teil wiedergeben˂) könnte demnach ein Augenzwinkern im Hinblick auf eine sehr bekannte Episode eines Klassikers der Commedia dellarte sein, die auf der Bühne des Théâtre Italien zur gleichen Zeit präsent war.«[42]
Die Annahme der zweiten Hypothese, so wenig sie auch beweisbar ist, impliziert eine Umkehrung der bis dato angenommenen zeitlichen Abfolge. Erst kürzlich wurde ein weiteres Argument vorgebracht, um eine ähnliche These zu stützen. Auch hierbei handelt es sich um einen Erklärungsversuch, der es nicht vermag, das steinerne Denkmal von der Tradition abzuschütteln, das bis heute errichtet worden ist. Aber er trägt dazu bei, dass es schließlich Risse bekommt. In dem Buch Molière et le roi kommt François Rey im Gespräch mit Jean Lacouture auf das Thema zurück und regt eine textliche Neudefinition des frühen Tartuffe (des heute verschollenen von 1664) an, um vor die Bearbeitung in fünf Akten zurückzugehen, die schließlich anerkannt und in Druck gegeben wurde:
»Rien ne permet daffirmer que le plan de la comédie par la quelle Molière prétendait »décrier les hypocrites« et qui fut trouvée »fort divertissante« était celui dune cathédrale. De même, rien nindique que la dimension politique, ou (…) lambition que nous lisons dans la pièce imprimée en 1669, a présidé dès lorigine à son écriture. (…) Telle que nous la lisons aujourdhui, avec sa structure complète et son imposante architecture, la »grande comédie en cinq actes« mapparaît plutôt comme le point darrivée de laffaire et son accomplissement.
Nichts bestätigt die Annahme, dass der Grundriss der Comödie, mit der Molière beabsichtigte, »die Heuchler« zu beschreiben und die als »sehr unterhaltend« empfunden wurde, dem einer Kathedrale entsprach. Ebenso wenig gibt es einen Hinweis darauf, dass die politische Dimension oder (…) die Intention, die wir in dem 1699 gedruckten Stück vorfinden, von Beginn an seine Schrift bestimmt hat. (…) Wie auch immer wir sie heute lesen, mir erscheint die »große Comödie in fünf Akten «mit ihrer gesamten Struktur und ihrer imposanten Architektur eher wie die Bewerkstelligung und der Schlussstein der ganzen Angelegenheit.«[43]
Laut Rey war der erste Tartuffe nicht – wie la Grange in seinem Registre nahe legt [44] – die unvollständige Fassung (in drei Akten) eines Werks, das für eine ausführlichere Ausgestaltung (in fünf Akten) bestimmt war; vielmehr sei es eine in sich geschlossene Comödie gewesen, »une pièce à rire [ein Stück zum Lachen]« und eher eine »grande farce [große Farce]«, mit etwas »triomphant, de joyeusement féroce, quelque chose de vert et de rabelaisien dont on ne retrouve plus dun écho dans ce que nous lisons aujourdhui comme une sorte de tragicomédie [»Triumphalem, von wildem Vergnügen, etwas Unausgegorenem und Rabelaisschem, wovon in dem, was heute gemeinhin als Tragikomödie gelesen wird, kein Hauch mehr zu finden ist]«[45]; zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass Molière die Comödie im Einflussbereich anderer >Autoren< verfasst hat.[46] Demnach würde es sich um einen Text handeln, der strukturell sehr von der Edition ne varietur abweicht, der sich eher komisch als >moralisch< geriert und der eigentlichen spielerischen Gestaltung der Italiener nahe steht, kurzum ein Text, der sich – aus heutiger Sicht – in gewisser Weise mit den Techniken der Commedia dellarte in Verbindung bringen lässt (wenn diese von Scaramouche und Biancolelli gespielt worden wäre), wie Molière selbst gerne einräumte.[47]
Im Übrigen übertrafen seine Zeitgenossen, deren Standpunkt alles andere als neutral und objektiv war, weit das Maß unserer Verdächtigungen, und behandelten diese Herkunft mal als Zeichen von Schande und mal als Qualitätssiegel. Molières Verräter übertrieben seine Abhängigkeit immer mit verleumderischen Absichten:
Sind seine Stücke so schön? Es ist sein Spiel, das täuscht und das sie erscheinen lässt. Die Bürger sehen nichts als die Posen und Grimassen von Scaramouche und Trivelin und verstehen nicht, was sie sagen. Molière kam daher und hat sie nachgemacht, Gott weiß wie; und sobald er ein bisschen französisch sprach, erfolgte der Aufschrei: ˃Ach, der schlaue Mann; es gab noch nie seinesgleichen˂. Er ist von allem, was er tut besessen; seine Grimassen sind lächerlich und man kann behaupten, dass er ein ziemlich schlechter Nachahmer der Italiener ist.«[48]
Mit weitaus umfangreicheren Argumenten wird diese These in den ersten Tagen des Jahres 1670 von der Komödie mit dem Titel Elomire hypocondre ou les medecins vangés von Le Boulanger de Chalissay[52] gestützt; es handelt sich um eine Parodie auf das Werk von Molière, das nur wenige Tage auf das in den letzten Dezembertagen erschienene Pamphlet La Critique du Tartuffe eines anonymen Autors folgt. Das Titelblatt trägt einen Kupferstich, den Laurent Weyen nach der Zeichnung eines Anonymus angefertigt hat. Links ist Tiberio Fiorilli, rechts Molière zu sehen. Und tatsächlich lautet der Untertitel auf der linken Seite »Scaramouche enseignant [Lehrer Scaramouche]« und der auf der rechten »Elomire estudiant [Schüler Elomir]«; wobei Elomir nichts anderes ist als das Anagramm von »Molière«: Dieser, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung 58 Jahre alt, übt sich vor einem Spiegel darin, den großen italienischen Akteur zu imitieren; dieser ist selbst zwar schon 62 Jahre alt, doch ist sein Ruhm nach wie vor ungebrochen, vor allem im Theater des Palais Royal, das sich seine Truppe seinerzeit mit der des französischen Schauspielers und Dramaturgen teilte. Der lateinische Schriftzug unterhalb der Bühnenbretter stellt die Schlüsselfrage: »Qualis erit? Tanto docente magistro?« / »Come sarà una volta educato da un così grande magistro [Was wird wohl aus ihm werden, wenn er die Ausbildung eines so großartigen Meister genossen hat?]«. Scaramouche seinerseits hält eine lange Peitsche in der Hand, mit der er zur Dressur des Schülers schreitet. Mit dieser Geste unterstreicht er seine unanfechtbare Überlegenheit und zugleich die Unterwerfung des französischen Schauspielers.
Schlagen wir an der Stelle nach (I/3, Verse 60-80), an der Scaramouche mit boshafter Gründlichkeit als Vorbild von Elomir-Molière heraufbeschworen wird: »Chez le grand Scaramouche il va soir et matin« – so setzt das Portrait an, in der es um die Theaterausbildung des französischen Schauspielers und Schriftstellers geht: »Giorno e notte va dal grande Scaramouche [Tag und Nacht geht er zum großen Scaramouche]«. Und dann wird nicht ohne ein gewisses Maß an Geringschätzung die Art und Weise hervorgehoben, in der »questo grande scolaro del più grande dei buffoni ripeta cento e cento volte contorsioni, posture e smorfie [dieser großartige Schüler des größten Buffone unter den Buffonen aberhundert Mal Verrenkungen, Haltungen und Grimassen wiederholt]« und den Italiener nachahmt, ihn aufmerksam beobachtet und seine Fratzen vor dem Spiegel wiederholt, mal die Stirne runzelt, mal erbleicht oder sich aus Angst vor der Entdeckung dessen erregt, was er fürchtet, nämlich den Seitensprung der Ehefrau, der ihm im Herzen Zorn und auf dem Kopf Hörner beschert. In Anbetracht all dieser Vorwürfe ist Elomire-Molière gezwungen einzugestehen: »Je suis fou quand japprends, et bouffon quand je joue« / »Sono un pazzo quando imparo e un buffone quando recito [Ich bin ein Wahnsinniger, wenn ich lerne, und ein Narr, wenn ich spiele]«. Hierbei handelt es sich um das Eingeständnis einer Abhängigkeit, die, wenn sie für den polemischen Autor des Komödien-Pamphlets auch nicht positiv war, so doch in den Augen des Historikers zumindest das Indiz für eine schauspielerische Tradition ist. Es scheint tatsächlich offenkundig, dass der Kupferstich und der polemische Text des Elomire hypocondre wenn nicht die ganze Wahrheit, so doch zumindest einen Teil von ihr enthalten. Die lebhafte spielerische Gestaltung der Akteure der italienischen Commedia dellarte liefert der Theaterliteratur des französischen 17. Jahrhunderts das Grundgerüst, auf dem es ihre unsterblichen und universalen Monumente errichten wird.
Wenn die italienischen Schauspieler nie in Frankreich aufgetaucht wären, wäre Molière vielleicht nicht das geworden, was er war. Ich weiß, dass er die alten Schauspieler sehr gut kannte, denn immerhin hat er ihre Ideen in unser Theater übertragen. Sie wissen sicherlich, dass sein Cocu imaginaire der Ritratto bei den Italienern ist; Scaramouche, der in seinen Liebesabenteuern unterbrochen wurde, hat seine Fâcheux produziert, seine widrigen Umstände sind nichts anderes als Arlequin valet étourdi; so verhält es sich mit dem Großteil seiner Stücke und in diesen Tagen mit seinem Tartuffe: ist der nicht unser Bernagasse?«[56]
Das Problem bleibt natürlich ungelöst, aber die Anmerkungen, die wir hier haben herborheben wollen, lassen es letztlich nicht zu, die Canovacci von Scaramouche und Biancolelli unwiderruflich vom »Meisterwerk« Tartuffe abzuleiten. Es wird vielmehr angebracht sein, die drei den Tartuffe oder Basilisk betreffenden Texte – zu welcher Hierarchie uns das Werturteil auch verpflichtet – als die Drillingsgeburt einer gemeinsamen Theaterkultur und als unterschiedliche Höhepunkte einer Tradition aufzufassen, die sich fast gleichzeitig neu entzündet.
Die drei Werke, die die Fragestellung hier zusammengeführt hat, haben ihre Wurzeln in einem linguistischen und mythographischen Nährboden der Renaissance, der seinerseits aus älteren, mindestens aus mittelalterlichen Quellen stammt (aus romanischen oder angelsächsischen), jüngsten Analysen zufolge sogar aus klassischen. In ihrem bereits zitierten Werk zeichnen François Rey und Jean Lacouture[57], indem sie bis ins 15. Jahrhundert zurückgehen, kurz die Bedeutung des Adjektivs »tartufe< nach: Und dabei scheint es so, als benenne der Ausdruck »le trompeur davantage que la tromperie, limposteur plutôt que limposture [mehr den Betrüger als den Betrug]«. Einer ikonographischen Quelle aus der Mitte des 17. Jahrhunderts zufolge ist er sogar auf die Physiognomie eines »commère à la tête plate [Weibes mit flachem Kopf]« zu beziehen.
In der linken Hand hält sie ein Buch, in dem sie liest, die Augen beinahe geschlossen, während sie ihre rechte Hand, wie aus Begeisterung, an ihre Wange führt. Darunter ist zu lesen: Diese alte Meduse hat ein wildes Gesicht, / und ihr ist so übel, dass ihrem Mund nichts entströmt / als stinkender Atem und klebrige Spucke. / Sie würde sich zwar gerne davon trennen / Doch ihr gelblich blasser Teint und ihre Käuzchenaugen / treffen auf keinen, der sich darum kümmern will.«[58]
Unter Bezug auf die zeitgenössische Berichterstattung haben wir die soziale Analogie zwischen den beiden gleichnamigen Figuren festgestellt, aber auch die Ähnlichkeit zu dem Protagonisten des verlorenen Canovaccio Scaramouche ermite verzeichnet: Fremde, aus fernen Gefilden kommend, denen ein wenig die Züge von Pilgern, ein wenig die von Betrügern anhaften, einzelgängerische Abenteurer, die von einem Nimbus des Mysteriösen umgeben sind, anomale Reisende ohne festen Wohnsitz.[60] Und doch verkörperten diese Figuren nicht nur den Widerhall der täglichen Berichterstattung. Sie brachten auch Bedeutungsinhalte ins Spiel, die über die Gegenwart hinausreichten und schlussendlich mit einer viel weiter zurückliegenden, mythischen Tradition verbunden waren.
Romanische Tradition und dramaturgisches Repertoire
In einem vor wenigen Jahren erschienenen Aufsatz hat Piero Colombini das Augenmerk auf die verschiedensten Erscheinungsformen des Basilisken in der klassischen, mittelalterlichen und modernen Literatur gelenkt. Er erinnert daran, dass der Basilisk »immaginato con una cresta a guisa di diadema [mit einer diademartigen Krone dargestellt]« und als »temibile come la testa di Medusa [furchterregend wie das Haupt der Medusa]« angesehen wurde.
Seine tödlichen Ausdünstungen verpesten die Luft und jeder, der von seinem Blick durchbohrt wurde, stirbt auf der Stelle, […] Er ist unbesiegbar […], eine Metapher für das Böse, und eine jener Kräfte, durch die sich in der Welt das Übel manifestiert und als solches wird es von Christus vertrieben. […] es ist das teuflische Wesen, das der gute Christ in sich selbst zu töten sich bemühen muss«.[61]
Der Wissenschaftler fuhr fort, indem er weitere ‘Reinkarnationen dieses heimtückischen Dämons anführte und erwähnte unter den anderen Werken verschiedene Dramen wie Soliman and Perseda (veröffentlicht 1592[62]), das dem Engländer Thomas Kyd zugeschrieben wird, oder wie die Amorosi inganni des Berufsschauspielers Vincenzo Belando (veröffentlicht 1606, auch wenn der Autor in seiner Adresse an den Leser angibt, die Commedia lange zuvor begonnen zu haben, wahrscheinlich von 1593 an) oder der Inavertito von Nicolò Barbieri, der 1629 erschien.[63] Über diesen Weg und andere interessante Zitate gelangte Colombini zu Tartuffe und zu den Basilisken, die in zahlreichen Canovacci der Commedia dellArte zu finden sind, angefangen mit Biancolellis Text, gefolgt von späteren, auch aus dem 18. Jahrhundert stammenden Zeugnissen.[64]
Es steht außer Zweifel, dass der Basilisk, wie viele Tiere und Geschöpfe der klassischen Mythographie, im Laufe des 16. Jahrhunderts jenen Prozess der ˃Degradation˂ oder »Abstufung˂ durchlief, den Wissenschaftler wie Wittkower, Avalle und Zorzi in ihren Arbeiten von unterschiedlichen Ansätzen her diskutiert haben.[65] Solche Veränderungen ermöglichten es, dass der Basilisk leicht aus dem Bereich der Legenden und Mythen auf die Bühne übertragen werden konnte, analog zu dem, was im Zusammenhang mit anderen mysteriösen und überirdischen Figurationen geschah. Wenn man den von Colombi[66] genannten weitere Quellen hinzufügt, so lassen sich die zugehörigen Merkmale präzisieren, die unsere Figur im Übergang vom Mythos auf das Theater mit sich trägt: bspw. seine königliche und teuflische Natur oder seine monströse Erscheinung. Andere Darstellungen rücken ihn in die Nähe der Wollust (die Syphilis wird im 17. Jahrhundert als die Seuche des Basilisken definiert) und, allgemeiner, bringn ihn mit jeder Art boshafter Verführung in Verbindung (diejenige eingeschlossen, die von der Kunst der Rhetorik ausgeübt wurde). Anlehnungen, die erklären, was in den Büchern über mittelalterliche Symbolik zu lesen ist, denen zu folge das Ungeheuer nur durch sich selbst besiegt werden kann, oder vielmehr kraft eines Spiegels, der seinen eigenen giftigen Blick auf es selbst zurückwirft. Seine tödliche Technik besteht aus einer zweifachen Aktion: Erst versteinert es seine Opfer mit seinem Blick, dann tötet es sie; in anderen Quellen ist zu lesen, dass das todbringende Werkzeug seine Spucke ist.
So haben wir hier einige zugehörige Merkmale ausgewählt, denen ein zukünftiger Erfolg auf dem Theater bestimmt ist. Dies zeichnet sich sowohl in der französisch-italienischen Typologie des 17. Jahrhunderts ab (die Wollust und die verführerische Kraft sind die beiden dominanten Charakteristika im Tartuffe) als auch in der angelsächsischen Tradition (die Mesalliance von Kröte und Schlange, seine diabolische und königliche Natur, das Gleichstellen der giftigen Spucke und des Wortes); beiden Traditionen ist jedoch die Bestimmung seines schwachen Punktes gemeinsam: der Narzissmus, symbolisiert durch den Spiegel als Materialisierung der Rede- und folglich auch der Schauspielkunst.
In der Comödie Salomon and Perseda von Thomas Kyd weist der Basilisk ausgesprochen parodistische Züge auf. Er betritt die Bühne auf dem Rücken eines Maultiers in einer Haltung, die an eine wahrscheinlich zeitgenössische Abbildung erinnert, die heute in den Compositions de Rhetorique von Tristano Martinelli[69] abgedruckt ist, auf der ein kriegerischer kämpferischer Arlecchino ebenfalls auf dem Rücken eines Maultiers zu sehen ist: »Enter Basilisco riding of a mule« (I/4). Der groteske Basilisk stammt hier aus Deutschland: »You are a Rutter, borne in Germanie« / »Ihr seid ein Ritter, geboren in Deutschland« (I/3, V. 15): Er ist ein prahlerischer Krieger des katholischen Heeres der Habsburger. Man kann sich vorstellen, dass er in jenen Jahren in den Niederlanden gekämpft hat, wo die Kaiserlichen gemeinsam mit den katholischen Truppen von Philipp II. gegen die protestantischen Rebellen der holländischen Provinzen eingesetzt wurden, die sich zuweilen als Deserteure herausstellten, so dass ihre söldnerische Unstetigkeit sprichwörtlich wurde. Dieser Krieger ist ein geschickter Redner (I/4, Vers 25: »I think thou art a wordemaker by thin occupation«), wobei die Anmerkung gestattet sei, dass in den elisabethanischen Texten das Wort »occupation« oftmals auch die Bedeutung von »Kopulation« innehat: Dass ein katholischer Soldat mehr in der einen als in der anderen Kunst hervorsticht, gehört zum gängigen verleumderischen Kodex der Schriftsteller jenseits des Ärmelkanals.
Im bereits zitierten und etwa zeitgleich entstandenen Werk von Belando finden sich ähnliche Züge. Quasi direkt erscheint ein namentlicher Bezug. »Seigniour Tremomundo« (V/2, Vers 31-32)[70] wird der Capitano Basilisco in Kyds Stück vom Diener Pistone genannt und Capitano Trememundo ist der Name eines besiegten Rivalen, den der Basilisk von Belando als Beweis seines Ruhmes erwähnt:
»Si no fuera por amor de mi señor Cintio (…) te uviera hecho ver el camino que hize hazer al Capitan Trememundo el qual lo tomé por los cabellos, que llevava muy largos, y le embié tan alto que se fue a caer sobre la cabeça de Neptuno que passéava por el mar Oceano.
Wäre es nicht wegen der Großherzigkeit meines Herrn Cintio [...] ich hätte dich den Weg sehen lassen, den ich den Capitan Trememundo nehmen ließ, welchen ich bei den Haaren packte, die er sehr lang trug, und den ich so hoch hinaus schickte, dass er Neptun auf den Kopf fiel, der durch das ozeanische Meer spazierte.«[71]
Die zwei Versionen der Figur verbindet die historische Bedeutung. In der fünften Szene des ersten Aktes von Gli amorosi inganni herrscht der Capitano Basilisco den Diener Cantonzo mit einem Schwall von Wörtern an:
Woher kommst du? Was machst du hier? Lebst du schon lange in dieser Gegend? Wer bist du? Wie ist dein Name? Weißt du zu dienen? Ist dein Geschick das eines entwaffneten Soldaten? Bist du ein guter Mensch? Wovor hast du Angst? Komm hier her, vor mich, fürchte dich nicht, Herrgottnochmal, nein, kennst du mich nicht?«[74]
Diese Sätze sind nicht die Früchte der Phantasie des Schriftsteller-Schauspielers. Es sind historische Kennzeichen der Figur, die sich aufspüren und nachzeichnen lassen und die in ihrer aktualisierten Form eng mit den Geschehnissen der Zeit und dem schillernden und zugleich finsteren Klima jener letzten Jahre des 16. Jahrhunderts verbunden sind: von der Plünderung Antwerpens zu den militärischen Unruhen in den Niederlanden, von der Verdüsterung der Religionskriege in Frankreich zu den Ängsten um die englische Thronfolge und der Valois in Frankreich, bis hin zu den Bürgerkriegen zwischen den Papsttreuen und den Protestanten. Das erneute Auftauchen dieser Figur, die wir als »parodistisch« definiert haben, ereignete sich in diesem Klima heftiger und nicht nur militärischer Spannungen. Dieser spanische Capitano ist die Karikatur der meuternden und elenden Soldaten, die Belando in den Straßen Antwerpens getroffen hatte.[75] Zum Schriftsteller geworden, füllte der Akteur die Dialoge zwischen den beiden gemäß dem Kanon, den die literarische Tradition dem Paar des »miles fanfarone [des prahlerischen Soldaten]« und seinem ängstlichen und hungrigen Diener zuschreibt; allerdings zögert letzterer, wenn die Situation ernst wird, nicht, die Krone Spaniens zu verraten und zu desertieren. Es handelt sich also definitiv um eine antispanische Figur, die der antikatholischen Kultur der Zeit sehr gefallen haben musste, im Besonderen den Augen und Ohren Thomas Kyds, der sie bereits vor irgendeiner Publikation auf der Bühne angetroffen haben mochte.
Geht man noch einige Jahre zurück, so stößt man auf weitere interessante Hinweise. Bspw. in der Comödie Angelica von Fabrizio De Fornaris, die 1585 von Abel LAngelier in Paris veröffentlicht wurde. Auf den Seiten 46-48 (III/9) stellt ein Duett zwischen dem Capitano Coccodrillo und dem zweiten Zanni Mastica eine zu der gerade betrachteten ähnliche Situation dar. Die zwei begegnen sich auf der Straße. Der zweite Zanni tritt dem Capitano Coccodrillo entgegen, der von dem Autor selbst verkörpert wird. Von den mittelalterlichen Etymologen wurde die Figur des Basilisken lange Zeit mit anderen phantastischen oder realen Tieren verwechselt, darunter auch das Krokodil.[76] Eine ähnliche Verwechslung musste in der volkstümlichen Tradition überlebt haben, die De Fornaris dazu angeregt haben könnte, seinen Kunstnamen anzunehmen. Jedenfalls immer mit parodistischer Funktion.
Der heilige Jakobus war auch unter dem Beinamen Matamoros bekannt, der seine heldenhafte Tapferkeit als Streiter für den Glauben unterstreicht. In diesem ursprünglichen Bild des Capitano ist unter Umständen eine satirische Anspielung herauszulesen, die der italienische Autor unter dem Schutz des pazifistischen Hofes von Katherina und Heinrich III. an die katholischen Extremisten und Spanienfreunde adressierte, die sich in Paris in der Bündnispartei zusammentaten. Zweifellos hat dieser politische Charakter seine Spur in dem von Vincenzo Belando aufgegriffenen Basilisken hinterlassen und er lässt sich teilweise auch in der Basiliskenfigur im Werk von Thomas Kyd nachweisen. Dabei handelt es sich um das vierte Merkmal, das zu dieser Figur gehört: die antikatholische Parodie, die in England auf große Zustimmung stieß, nicht zuletzt aufgrund der extremen religiösen Spannungen unter der Herrschaft von Elisabeth.
Die Tradition Shakespeares
Kyds Text wurde 1592 veröffentlicht. Auf das Jahr 1593 hingegen wird Shakespeares Richard III. datiert[77], dessen Protagonist und gleichnamiger Held einige der Themen zu berühren scheint, die im Zentrum unserer Untersuchung stehen. Der usurpatorische und missgebildete Richard übernimmt eine Rolle, die in den Moralities dem Vice, dem Laster eigen war, d. h. dem Clown, der den Teufel verkörperte und der in der Lage war, das Publikum mit komischen Aktionen und Scherzen zu unterhalten, gewissermaßen mit Intermezzi in einem oftmals moralistischen und pädagogischen Handlungsverlauf. Diese Personifizierung des Lasters war ein dem Capitano der Commedia dellArte nicht unähnlicher villain, ein Schurke, dessen bösartige Erscheinung von der komischen Handlung überlagert wurde. Er ist ein Krieger, aber auch ein Clown, vielmehr ein >Capitano-Clown<, der einem trickster ähnlich ist. Und ein solcher ist, zumindest teilweise, auch Richard III. Erstaunlich ist die Anziehungskraft der Figur, ungezwungen seine Fähigkeit, vom tragischen Register in das dramatische und das parodistische überzugehen. Seine Fertigkeit liegt in der Verstellung und Dialektik, er spielt und spricht mit der Eleganz eines Lovers, aber auch mit der Grausamkeit des Tyrannen oder der Distanz eines >entfremdeten< Akteurs. Kraft seiner schauspielerischen Fähigkeiten beherrscht und verführt er die anderen, unterwirft sie. Er besitzt alle einschlägigen Merkmale des Capitano der ihm näher stehenden schauspielerischen Tradition, nur, dass er sie zusätzlich parodistisch wendet. Als eine Parodie der Parodie, unglaubwürdig und buffonesk, besiegt er tatsächlich die echten Capitani und die >ernsten< Figuren der Geschichte. Nicht zu vergessen, dass er ein katholischer Thronräuber ist, der auf die Bühne eines anglikanischen Theaters gestellt wird: Und dies ist ein weiterer Grund, weshalb Shakespeare ihn mit ähnlichen Zügen ausgestattet hat wie die spanischen Prahlhänse der Commedia dellArte.
Einige seiner äußeren Wesenszüge rücken ihn in die Nähe des Basilisken von Kyd (auf den Londoner Bühnen erscheinen die zwei Figuren in relativer zeitlicher Nähe). Nur dass im Übergang vom Textuniversum des einen in das des anderen, die Bezüge zur semantischen Sphäre seiner Zugehörigkeit zunehmen, in dem Moment, da der Name des Fabeltiers aus dem Bühnenstück verschwindet. Mindestens drei lassen sich beobachten. Zuerst ist seine wollüstige und frauenfeindliche Natur zu nennen.[78] Dieser Charakterisierung folgen schließlich Bedeutungen, die mit dem Tierreich in Verbindung stehen.[79] Und drittens wird der Verweis auf den Teufels-Mythos in den eindringlichen Definitionen seiner Opfer (Mutter, Ehefrauen, Liebhaberinnen) deutlich, die seine unterweltlichen Merkmale beschreiben.[80] Nichtsdestotrotz scheint Richard III. das mythische Modell sogar zu überschreiten, indem er nicht nur als Todbringer, sondern auch als Lebensspender in Erscheinung tritt. Eine grenzenlos diabolische Kraft.[81]
Richard III. ist ein wollüstiges Tier, das seine Opfer hasst (und aus diesem Grund verführt), wobei er zunächst histrionischen Narzissmus und dann Gewalt ausübt, wie das mythologische Tier, in dessen Anlehnung – als Monster oder als Teufel – der Autor ihn gestaltet hat: »Thou cacodemon«, »slave of nature and the son of hell« bezeichnet ihn Queen Margareth (I/3). Außerdem stellt er sich selbst, wie ein hochmütiger Capitano der Commedia dellArte, in der ersten Szene (oder vielmehr auf dem Proszenium) als Krieger und als Liebhaber vor, zynisch dazu aufgelegt, Erotik mit Heroik zu vertauschen:
And therefore, since I cannot prove a lover / To entertain these fair well-spoken days, / I am determined to prove a villain / And hate the idle pleasure of these days. (I/1)
Gleichwohl scheint dieses Oszillieren weniger ein Bühnenspiel zu sein, als die Bipolarität ein und derselben ungeheuerlichen Strategie. Dies wird vor allem deutlich, wenn man sie mit jenen zeitgenössischen Figurationen vergleicht, die das Thema von Heldentum und Erotik ebenso aufgreifen, z. B. im italienischen Kulturraum, wo das Parodistische vollkommen und ohne Vorbehalte eingebunden ist. In diesem Zusammenhang sei auf die Theaterfigur des spanischen Capitano hingewiesen, der nicht nur auf den italienischen Bühnen von Silvio Fiorillo vorgestellt wurde. Erste Nachweise liegen für das Jahr 1599 vor[82], doch war diese Figur derart erfolgreich, dass sie Tiberio, dem bereits erwähnten Scaramouche, nicht nur biologisch zur Geburt verhalf. Was jedoch Silvio anbelangt, so ist sein Bühnenname hervorzuheben: Matamaros bezieht sich auf den Hl. Jakobus von Compostela, den legitimen Träger dieses Namens, der hier äquivalent zu dem auch in der Entwicklung der Figur des Basilisken wirkenden Geist, offensichtlich ins Komische verkehrt ist. Als Silvio Fiorillo einen seiner Briefe unterzeichnet, nennt er sich »comico, diabolico, bisarro mosche el diablo«, mit anderen Worten »komischer, diabolischer, bizarrer Teufelsjäger< (nach dem spanischen mosquear: »die Fliegen fangen«), wobei deutlich seine Absicht zutage tritt, die Attribute des heiligen Maurentöters parodistisch zu verkehren, hier nurmehr überheblich und unfähig, den hochtrabenden Worten entsprechende Taten folgen zu lassen.[83]
Eine weitere zuverlässige Variante des Capitano-Modells, das aus der Commedia dellArte abgeleitet ist, kann in Shakespeares Protagonist Othello ausgemacht werden.[84] Dieser ist ein Verliebter, der verhöhnt wird, aber er ist auch ein Capitano mit sämtlichen Eigenschaften seiner Art: Er liebt eine einzige Frau (Desdemona), dennoch wird er von seinen Feinden der Unzucht beschuldigt; er ist von sensationellen Abenteuern in fernen Ländern zurückgekehrt (seine gekonnte Erzählung verführt er Desdemona), wovon er mit faszinierender, beinahe magischer Rhetorik berichtet; er strebt nach unermesslichem Ruhm. Er ist eine Variante jenes Capitano, den wir schon kennengelernt haben. Zu Beginn der Tragödie hat er viele Eigenschaften des teuflischen Basilisken. Ihm werden dunkle und infernalische Zauberkräfte (»foul charms«, »practice of cunning hell«), der Gebrauch von »drugs or minerals«, ciarlataneske Zaubereien und Zaubertränke (»spells and medicines bought of mountebanks«), und die wie seine Hautfarbe schwarze Magie (»witchcraft«) zur Last gelegt. An seiner Seite ist Jago die Parodie des Hl. Jakobus, SantIago Matamoros, des Maurentöters: Parodie deshalb, weil er zwar den Mohren/Basilisken tötet, sich dabei jedoch dämonischer Mittel bedient: Der katholische Glaube ist, – nach einer Auslegung, die schon bei Kyd anzutreffen ist – , eine Verkleidung des Teufels.
Allerdings führt sich hier eine nicht unwesentliche Variante ein, die uns zur Welt der Commedia dellArte und so auch zu politischen Ereignissen zurückführt.[86] Es konnte aufgezeigt werden, inwiefern sich der Matamaros von Silvio Fiorillo als Teufelsjäger bestimmen lässt. Matamaros war auch der nationale iberische Name, mit dem der antimuslimische Heilige schlechthin bezeichnet wurde, Santiago de Compostela. Dargestellt wurde er für gewöhnlich hoch zu Ross, in einer Haltung, in der er Scharen von christlichen Feinden überwältigt und tötet. Wenn bereits der neapolitanische Akteur die Kunst der Parodie praktizierte, indem er sich selbst Matamaros nannte, so sind die Anspielung auf dieses Modell sowie die explizite antispanische Polemik in der Figur des Jago noch präsenter. Auch er tötet, seinem Namen entsprechend, den Mohr, oder vielmehr, den konvertierten Mauren, also Othello. Er, der Teufel im christlichen Gewand, wird der wahre Sieger über den Tod , sein Schöpfer und Überbringer sein: Er ist nicht nur deshalb ein Teufel, weil er Gift in das Ohr träufeln lässt, sondern auch, weil er eine monströse Geburt vorbereitet (I/3). Er ist die Reinkarnation des Vice, des Lasters, das im Gegensatz zu dem unschuldigen, schwarzen, konvertierten Muslim als eine katholische, weiße Figur, vermutlich spanischer Herkunft vorgestellt wird.
Schlusspunkte der parodistischen Abstufung
Abschließend sei einigen Überlegungen nachgegangen, auf deren Basis Delia Gambelli[87] zu dem Schluss kommt, dass Tiberio Fiorilli in der Compagnia der Italiener zwischen 1662 und 1667 den Posten jenes Schauspielers übernahm, der auf den Part des Capitano spezialisiert war: Francesco Manzani, der am 19. Mai 1662 vor Molières Haus in der Rue Richelieu einem Verbrechen zum Opfer gefallen war. Wenn Tiberio Fiorilli zu dieser Zeit einen solchen Part übernommen hat, würde das seine Verbindung zu dem Part des Basilisken in dem Canovaccio noch besser erklären, stand dieses doch mit dem Tartuffe in Verbindung, wenn es ihm nicht gar vorausging. Diese Rolle sah eine – sicherlich komische – Akzentuierung des kriegerischen Repertoires des italienischen Schauspielers vor, wobei er sich wahrscheinlich auf das Wissen des Vaters Silvio Fiorillo Matamaros stützen konnte: gewissermaßen eine Rückbesinnung auf die traditionellen Funktionen des kriegerischen Capitano der Commedia dellArte. Der paramilitärische Charakter Scaramouches ist, wenngleich durch neue Bedeutungen vermindert, dem Diener Don Giovannis nicht fremd: Erinnert sei an den Kleidertausch zwischen Herr und Diener, der (außer bei Molière) sowohl bei Cicognini als auch bei Biancolelli auftaucht, aber auch an die bereits erwähnte Szene des bizarren Duells, in dem der Diener das groteske Spiegelbild seines Haudegen-Herren gibt. In jedem Fall aber spielte Scaramouche an Manzanis Stelle wie ein Erbe jener schauspielerischen Capitano-Tradition des 16. Jahrhunderts, der auch sein Vater Silvio angehörte. Er stammte aus unbekannten Gegenden, zeichnete sich, vor allem in den Liebes- und Kampfesszenen, durch ein überschwängliches Bühnenspiel aus und hatte das spanische Gewand des Vaters durch ein komplett schwarzes Theaterkleid ersetzt.
Vor diesem Hintergrund ist es von Interesse, eine weitere Analogie hervorzuheben. Die Bernagasso-Figur, der Bettler, Vagabund, Eremit und Frömmler, der in das schwarze Gewand der Trauer, der Andacht und des Wanderelends gehüllt ist, erinnert sowohl an das Gewand des Pilgers, das der Capitano Coccodrillo in der Angelica trägt, als auch an jenes des versprengten, spanischen Soldaten, dem wir in den Gli Amorosi inganni des Belando begegnet sind, doch vor allem an die bescheidene militärische Strenge und die bigotte Steifheit, die Richard III. in den battute, den Scherzen, an den Tag legt. Wie der englische Prinz ist er ein Usurpator, schieläugig, aber faszinierend. Übrigens stellt ihn die ikonographische Tradition der Drucke, aber auch die wahrscheinlich ihm gewidmeten Ölmalereien[88], alles andere als anmutig dar. Er wird mit einer Neigung zu offensichtlich falschem bzw. düsterem und unheilvollen Leid vorgestellt, und auch mit einer gewissen Deformation in den Schultern, die ein wenig an Shakespeares Richard erinnert: Costantini schreibt, »era di vista corta […] sordo dallorecchio sinistro, e aveva una spalla più grossa dellaltra« [er war kurzsichtig, auf dem linken Ohr taub und seine eine Schulter war wesentlich größer als die andere]«.[89]
Fiorilli scheint demnach nicht nur verbindendes Element zwischen dem Repertoire der komischen Parti des italienischen Theaters in Frankreich und Molière zu sein, sondern auch Mittler einer Tradition, die den Übergang der kriegerischen Partien vom historischen Drama zur Commedia im Sinne der ersten dramaturgischen Regel des teatro dellArte kennzeichnet: der Parodie. Vergessen wir nicht, dass Tartuffe auch – in der Figur des Orgon – den Sonnenkönig herausfordert, der ihn dann tatsächlich in der gleichen Weise schlagen wird wie Richmond Richard. Beide sind sie Usurpatoren: ersterer der des monarchischen Gemachs, der zweite des bürgerlichen. Richard hat den König getötet und führt sich im Thronsaal wie ein Eindringling auf ebenso wie Tartuffe der Fremde ist, den die Familie Orgon mit Argwohn aufnimmt. Beide sind sie abstoßend und verführerisch zugleich, sie verfügen über eine Faszination, die dem sozialen Emporkommen und der Machtübernahme eignet, sie bedienen sich der Erotik, sind jedoch abgrundtief frauen- und menschenfeindlich. Beide sind falsche Gläubige, beide absolute Herrscher über die Wort- und Verführungskünste. Die beiden wesentlichen Szenen, in denen ihre Redegewandtheit aufblitzt, sind zwei Verführungsszenen: Richard gegenüber Lady Anne und Elisabeth; Tartuffe bei Elmire. Beide spielen Eros vor, um Macht zu erlangen.
Wenn der Basilisk von Scaramuccia und Arlecchino den Namen seines mittelalterlichen Archetyps (sogar im Zuge des Degradationsprozesses, der alle mittelalterlichen Symbole im Übergang in die Moderne ereilt) beibehält – ein Beleg für das ausgeprägt konservative Verhalten angesichts der folkloristischen Tradition, das der Commedia dellArte eigen ist –, so erfahren der Name und sein Bezug bei Molière eine Veränderung: Der Basilisk schlüpft in eine andere Haut – oder besser: Er maskiert sich – auch wenn er viele seiner symbolischen Eigenschaften (oder Merkmale) behält. Der mittelalterliche Mythos passt sich den neuen Lebensbedingungen an und erwacht, indem er seine Wurzeln vergisst, zu neuem Leben. In der Commedia dellArte hingegen, die all seine Traditionsmerkmale bewahrt, wird er im Laufe weniger Jahre verschwinden. Gleichwohl wird er Spuren seines Todeskampfes in zahlreichen Canovacci der späteren Phase dieser Bewegung und bis zur Französischen Revolution hinterlassen.[90] Es ist nicht wichtig zu wissen, wer wen nachgeahmt hat. Aber es ist wichtig zu wissen, dass derjenige, der sich selbst treu bleibt, sich nicht verändert und sich nicht erneuert, zum Untergang bestimmt ist. Die Tradition beruht auf Treulosigkeit.
Literatur:
Aliverti, Maria Ines (1989): An Unknown Portrait of Tiberio Fiorilli. In: Theatre Research International, Bd.23,Nr. 2, S. 127-132.
Avalle, DArco Silvio (1989): Le maschere di Guglielmino. Strutture e motivi etnici nella cultura medievale. Mailand, Neapel: Ricciardi.
Belando, Vincenzo (1985): Gli amorosi inganni. In: Siro Ferrone (Hg.): Commedie dellArte. 2 Bde. Mailand: Mursia, Bd. 1, S. 197-285. – Orig. 1609.
Bévotte, Gendarme de (1988): Le Festin de Pierre avant Molière. Neuausgabe hg. von Roger Guichemerre. Paris: Nizet. – Orig. 1906a.
Bévotte, Gendarme de (1906b): La légende de Don Juan. Paris: Hachette.
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[33] Diesen Hinweis lieferte Molière nach Jahren selbst, jedoch mit einem gewissen Maß an Ungenauigkeit und Voreingenommenheit, vgl. Préface a Tartuffe ou lImposteur: »on représenta devant la Cour une pièce intituée Scaramouche ermite; et le roi en sortant, dit au grand prince [Condé] que je ceux dire: ˃Je voudrais bien savoir pourquoi les gens qui se scandalisent si fort de la comédie de Molière ne disent mot de celle de Scaramouche˂; a quoi le prince répondit: ˃La raison de cela, cest que la comédie de Scaramouche joue le ciel et la religion, dont ces messieurs-là ne se soucient point; mais celle de Molière les joue eux-memes; cest ce quils ne peuvent souffrir˂. [man spielt vorm Hofe ein Stück mit dem Titel Scaramouche ermite; und der König äußerte beim Hinausgehen dem Großfürsten (Condé) gegenüber folgendes: ˃Ich möchte gerne wissen, warum sich die Leute so sehr über die Comödie von Molière erregen und kein Wort über die von Scaramouche verlieren˂; worauf der Fürst antwortete: ˃Der Grund ist, dass die Comödie von Scaramouche sich spielerisch um den Himmel und die Religion dreht, was diese Herren nicht im Geringsten berührt; aber die von Molière führt ihnen spielerisch sie selbst vor; das ist es, was sie nicht ertragen können.˂]« (Molière 1971: Bd.1, 888).
[63] Vgl. Ferrone 1985: Bd. 1, 197-294 (die Frage der Datierung wird auf Seite 206 diskutiert) und Bd. 2, 107-231.
[66] Was die symbolischen Metamorphosen unseres Tieres anbelangt vgl. die Bibliographie in White 1960: 168-170 und in Nigg 1999.
[86] Zur Beziehung zwischen politischen Ereignissen und Commedia dellArte vgl. Ferrone 2003: 51-67.
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