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Ingannare il tempo

di Alessandro Tinterri
  Quartett
Data di pubblicazione su web 10/10/2007  
Pubblichiamo la traduzione tedesca, a cura di Veronika  Wiethaler, della recensione di Alessandro Tinterri a Quartett, di Heiner Müller, rappresentato all'interno del Salzburger Festspiele 2007.



Im Carabinieri-Saal der alten Residenz in Salzburg wurde am 11. August im Rahmen der Festspiele das Quartett von Heiner Müller (1929-1995) aufgeführt, wahrscheinlich einer der am häufigsten gespielten Texte des Schriftstellers und Brecht-Schülers. in Zeiten der DDR eine unbequeme Persönlichkeit, die es jedoch nach dem Fall der Mauer noch gelang Chef des Berliner Ensembles zu werden. Das von Müller 1982 geschriebene Stück Quartett, verdichtet die vor zwei Jahrhunderten, 1782 geschriebenen  Gefährlichen Liebschaften von Pierre Choderlos de Laclos, zu  einem einzigen Akt mit einer Länge von 1 Stunde 20 Minuten  (Spieldauer der salzburger Inszenierung). Ein Stoff der zu Beginn der Französischen Revolution  die moralische Leere stigmatisierte, die sich hinter dem Libertinismus einer sozialen Klasse im Augenblick deren Untergangs verbarg. Ein Quartett von Persönlichkeiten, jene des Briefwechsels von Laclos (die Marquise Merteuil und der Visconte Valmont im Vordergrund, mit im Spiel aber auch die junge Volanges und Madame de Tourvel), das jedoch nur zwei Schauspielern anvertraut war: Barbara Sukowa und Jeroen Willems, ausgerüstet mit Mikrofonen, um der Akustik in dem besonderen Raum standzuhalten, aber  vielmehr noch um optimale Voraussetzungen für das Kreuzen der Klingen in einem verbalen Duell zu schaffen, ein Duell in dem keiner der noch so subtilen Schläge untergeht, um  die subtilen Spannungsunterschiede im Rollenwechsel zu tragen  und um die Ambiguität eines Textes  herauszustreichen, in dessen Verlauf die Geschlechter aufeinander prallen.


Jeroen Willems
Jeroen Willems

Ungefähr 300 Zuschauer sitzen zu beiden Seiten eines erleuchteten, 30 Meter langen Podestes. Entworfen von Bühnenbildnerin Bettina Meyer. Ein Lichtobjekt, das sich mal in die Enden einer langen Tafel verwandelt, an deren Kopfenden die beiden Hauptdarsteller (in epistolarer Distanz) voreinder treten, mal in einen Laufsteg, auf dem sie in den Kostümen von Bettina Walter in einer Art Modenschau flanieren: Barbara Sukowa in Männerhosen unter einem weiten Reifrock, den Brustkorb in ein starres Korsett gezwängt, die Haare anfangs aufgesteckt, welche sich im Verlauf des Stückes in eine wallende Löwenmähne auflösen, Jeroen Willems in Stiefletten und einem grauschillernden Anzug, um den Hals trägt er ein Geschmeide aus Perlen, nichts an ihm erinnert an das achzehnte Jahrhundert, im Gegenteil es drängt sich das Bild des Dressman auf. Es gibt keinerlei Musik zu Unterstützung der Aktion, diese wird allein vom Wort und der Bravour der beiden Interpreten getragen, denen es für einen Rollenwechsel genügt den Reifrock zu tauschen. Ein Wechsel der im Moment der höchsten Spannung passiert und damit den Schauspieler an seiner virtuosen Grenze zu einer schwierigen Passage zwingt.

Die Zeit ist eines der Themen Laclos’: die Zeit totschlagen, gestern die Hauptbeschäftigung einer untergehenden Aristrokratie, heute, zwei Jahrhunderte später, so scheint Müller einfliessen zu lassen, eine Bürgertum das seine historische Funktion ausgeschöft hat, das jeden vitalen Schwung verloren hat. Valmont sagt es: «unser erhabene Beruf ist, die Zeit totzuschlagen. Es braucht den ganzen Menschen: es gibt zu viel davon. Wer die Uhren der Welt zum Stehen bringen könnte: Die Ewigkeit als Dauererektion. Die Zeit ist das Loch in der Schöpfung, die ganze Menschheit paßt hinein. Dem Pöbel hat es die Kirche mit Gott ausgestopft, wir wissen, es ist schwarz und ohne Boden. Wenn der Pöbel die Erfahrung macht, stopft er uns nach». Die Zeit bedeutet auch eine zweihundertjährige Distanz die zwischen  Laclos und Müller liegt. Mit der Wahl der literarischen Figuren antizipiert der deutsche Schriftsteller um einiges die berühmte Kinofassung  von Frears aus dem Jahr 1988. Er legt viel Eigenes hinein, indem er die moderne Wechselhaftigkeit der zwischenmenschlichen Beziehungen sexuellen Charakters seziert, ohne der Vulgarität oder schlimmer noch, der Prüderie anheim zu fallen.


Jeroen Willems e Barbara Sukowa
Jeroen Willems e Barbara Sukowa


In Müllers Stück findet man auch eine metatheatrale Ebene, sie taucht auf wenn Valmont sagt: «Was ist. Spielen wir weiter?». Und Merteuil antwortet: «Spielen wir? Was weiter?» Es sind hier nicht so sehr die Figuren die sprechen, sondern die sie interpretierenden Schauspieler, und wiederum transformiert sich so das theatralische Spiel und die daran teilnehmenden Zuschauer in eine weitere Variante des  Zeit totschlagens. Wäre da nicht die Präsenz Jeroen Willems’ die jedoch mehr als Nachweißprobe dient, so könnte man sagen, dass dieses Quartett der Weiblichkeit gewidmet ist, angefangen mit Barbara Frey,  verantwortlich für die Regie, die, wie Christine Dössel in der «Süddeutschen Zeitung» schrieb (mit der Komplizenschaft Laura Olivis’ als dramaturgische Assistenz) eine distanzierte und kühle Interpretation des Textes angeboten hat, ausgerichtet vor allem auf die Erforschung "der  dunklen Seite der Ratio", dem  Thema der Salzburger Festspiele 2007 - das erinnert an Goya.




Quartett (traduzione tedesca della recensione di Alessandro Tinterri a cura di Veronika Wiethaler)
cast cast & credits
 
 

 

 

Barbara Sukowa
Barbara Sukowa

 

Recensione di Alessandro Tinterri a Quartett, di Heiner Müller


 
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